Interessantes Interview aus der PowerPlay 10/88

Moderator: Patrick

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Artchi
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Beitrag von Artchi »

Ich habe beim stöbern ein sehr interessantes Interview entdeckt, das auch viel vom Archimedes handelt:
http://www.kultpower.de/powerplay_artikel/1988-10/Der_Elite_Millionaer.jpg
HöMi
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Beitrag von HöMi »

Der Artikel ist zwar schon etwas älter, macht aber deutlich, welches Potenzial der Archimedes bzw. Acorn damals hatte. Für einige Zeit ging es deshalb ja auch richtig bergauf. Ich erinnere mich noch, wie wir damals unseren Club "Artchibrothers" im Raum Bielefeld gegründet und sogar eine eigene kleine Broschüre "MIPS" herausgebracht haben. Bis zum nächsten Archimedes-User musste ich knapp zwei Minuten Fussweg überbrücken; heute muss ich 40 Minuten mit dem Auto fahren, um zum nächsten RiscPC-User zu kommen. Es war ohne Frage eine schöne Zeit, obwohl mich "Elite" damals nicht angesprochen hat.

Gruß
MfG HöMi
HöMi
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Beitrag von HöMi »

Warum sich das Potenzial von Acorn nicht entfalten konnte, wird wohl aus folgendem Text (entnommen dem Wikipedia-Lexikon) deutlich:

"Finanzielle Sorgen

Acorns Wendepunkt war 1984; die Firma ging gerade zu dem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit, als der Heimcomputer-Markt zusammenbrach. In diesem Jahr wurde Atari verkauft, Apple war nahezu insolvent, und Acorn löste eben jenes Problem, das sie von Anfang an verfolgt hatte: fehlende Produktionskapazitäten.

Die bei Markteinführung des Electron fehlenden ULAs hatten dazu geführt, dass im Weihnachtsgeschäft 1983 nur 30.000 der dank erfolgreicher Werbekampagne 300.000 vorliegenden Anfragen erfüllt werden konnten. Der scheinbare Bedarf an Electrons erwies sich indes als illusorisch: Viele Eltern kauften ihren Kindern Commodore C64 oder ZX Spectrum, statt auf den Electron zu warten. Als der Zulieferer Ferranti das Produktionsproblem gelöst hatte und 1984 die vereinbarten Mengen an ULAs lieferte, war der Bedarf so weit eingebrochen, dass Acorn den Electron nun in großen Stückzahlen lagern musste. Der Vertrag erlaubte jedoch keine schnelle Nachverhandlung der Kapazitäten, so dass Acorn gegen Ende des Jahres 1984 über 250.000 unverkaufte Electrons verfügte.

Acorn hatte zudem einen Großteil seiner liquiden Gelder in die Entwicklung neuer Produkte investiert: den BBC Master, das ARM-Projekt und die sich letztendlich als Flop herausstellende ABC. Weitere Kosten entstanden durch eine geplante Expansion in die USA, welche die staatliche Anerkennung des BBC Micro erforderte. Hierzu mussten sämtliche Erweiterungen des Micro auf Emissionen getestet und deren Abstrahlung reduziert werden; ein langer und zudem teurer Prozess, der Acorn etwa 20 Millionen US-Dollar kostete. Kaum einer der NTSC-modifizierten BBC Micros wurde verkauft. Immerhin tauchten sie jedoch im 1984er Film Supergirl: The Movie in einer Schule auf."

Gruß
MfG HöMi
hubersn
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Beitrag von hubersn »

Acorn hat vermutlich wirklich ein paar Irrwege zuviel beschritten - all das kostet nicht nur unglaublich viel Geld, sondern vor allem auch Zeit - wertvolle Entwicklungszeit, Management-Zeit etc.

Man denke an ARX, RISCiX, Online Media, der NC, Xemplar...

Acorn hatte irgendwie immer den Drang, sich möglichst breit aufzustellen. Statt RISC OS aufzubohren, wollten sie im professionellen Bereich mit RISCiX punkten. Statt sich auf den Desktop/Education-Markt zu focussieren, wurde vom NC über die SetTopBox alles mögliche in die Wege geleitet.

Letztlich haben die ganzen Ausflüge nur Geld gekostet, obwohl natürlich Potenzial da war - aber man stelle sich vor, man hätte sich auf RISC OS focussiert: der Risc PC hätte früher erscheinen können (alles, was im RPC700 1995 drin war, war auch schon 1993 zum selben Preis möglich!), rechtzeitig zum StrongARM hätte es einen Risc PC-Evolutionsmodell gegeben zusammen mit einem 32bittigen OS. Der ARM7500 war optimal für ein Notebook- und/oder Subnotebook-Projekt - es wird mir immer schleierhaft bleiben, warum Acorn nach dem A4 den Mobilmarkt einfach ignoriert hat.

Viele Software-Firmen, die zu ihrer Zeit auch systemübergreifend führend waren, haben Acorn oft (und zurecht) kritisiert, gewisse Dinge im RISC OS oder den zugehörigen Entwicklungstools nicht bereitgestellt zu haben. Das wäre alles gemütlich möglich gewesen, wenn man nicht die Ingenieurskapazität in die Totgeburten gesteckt hätte.

Aber zugegeben, im Rückblick ist es etwas leichter ;-)

Steffen
Artchi
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Beitrag von Artchi »

Naja, sicherlich haben diese ganzen "Ausflüge" Geld gekostet, das vielleicht nachher gefehlt hat. Aber meiner Meinung nach, wäre Acorn auch so gescheitert, ohne diese Ausflüge. Wenn man sich mal das Interview anschaut, war nicht RISC OS oder so das besondere am Archimedes, sondern einfach die CPU - im Sinne von Performance und der einfachen Programmierung.

Was ich damals schon beim RiscPC mit StrongARM abgesehen hatte, war die Rückständigkeit der CPU-Leistung ggü. den PC-Prozis. Schei* auf die niedrige Energieleistung, für einen Desktop in einem gewissen Masse zweitrangig. Meiner Meinung nach, hätte Acorn mit den ARM-Chip einfach verloren. Selbst Apple war damals so schlau um auf eine passende CPU-Architektur umzusteigen. Selbst heute sind die ARMs für Desktops untauglich. Für mobile Anwendungen sind sie unschlagbar, deshalb dominieren sie berechtigterweise. Aber seien wir ehrlich: ich benutze auf einem Desktop lieber einen Core2 oder Athlon64. Trotz der Performance sind die Chips heute relativ sparsam geworden (irgendwann mußten auch die PC-CPUs sparsamer werden, keine Frage!).

Also, sagen wir mal, Acorn hätte sich auf ihren Desktop-RiscPC und Notebooks konzentriert. Was hätten wir heute für CPUs? ARMs? Die gleichen ARMs die wir heute "kaufen" können? Was hätte Acorn außer einem RISC OS für ein Kaufargument? Es war ein Fehler, 1989 den ARM "abzugeben" und somit die Kontrolle über die Richtung der Weiterentwicklung zu verlieren. Der ARM war damals DAS Argument von Acorn für ihre Desktops. Mit der Abgabe der ARM-Technik hat man eindeutig Kompetenz und Macht abgegeben und das Ende war einfach abzusehen.

Denn das Interview hat eines gezeigt: der ARM war DAS Argument für Acorns Desktop-Rechner. Ohne ARM war Acorn nichts mehr wert. (ich weiß, sie hatten Anteile an ARM Ltd. aber es waren weniger als 50%)
hubersn
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Beitrag von hubersn »

Ich denke schon, dass anno 1989 nicht nur der ARM, sondern auch RISC OS etwas besonderes war und durchaus insbesondere gegenüber der Konkurrenz auf dem PC ein "selling point" war.

Wenn man bedenkt, dass zwischen 1987 (Beginn RISC OS-Entwicklung) und 1992 (RISC OS 3) mehr Softwareentwickler bei Acorn mit RISCiX zugange waren als mit RISC OS, dürfte klar sein, wie RISC OS 3 hätte aussehen können, wenn man die Entwicklerkapazität darauf konzentriert hätte. Ärgernisse wie fehlende OS-Level-Unterstützung für Multithreading oder die lächerlichen 10/77-Grenze des Filecore wären uns schon damals erspart geblieben.

Zum Zeitpunkt der Risc PC-Einführung wäre die Zeit reif gewesen für ein neues RISC OS - vollständig hardwareabstrahiert, neue Applikationen voll im 32bit-Modus, klarer Schwenk weg von der Assembler-Programmierung hin zur Hochsprachenprogrammierung - inklusive einem klaren Commitment zur Toolbox. Unterstützung für virtuellen Speicher wäre sicher auch noch dringewesen.

Bis 1997 war der ARM ja in Form des StrongARMs durchaus konkurrenzfähig, hätte man ihm vernünftige Hardware drumrum mitgegeben - im Risc PC war da natürlich gegen die Konkurrenz (man erinnere sich: Pentium MMX 233, mehr ging damals auch noch nicht auf PC-Seite) in Anbetracht von FPM-RAM, PIO-Mode 0, Podules und Konsorten nix zu holen.

Danach hätte man durchaus über einen CPU-Wechsel nachdenken können - obwohl es mit dem 733 MHz-XScale ja durchaus taugliches Nachfolgematerial gab, wenn auch nur im Non-FP-Bereich. Der Apple-Weg hat ja gezeigt, dass das möglich ist - und in Anbetracht der Tatsache, dass noch 1997 bei Acorn 200 Softwareentwickler im Bereich Online Media und ART mit allem möglichen Unsinn beschäftigt waren, wäre das auch zu stemmen gewesen.

Und wenn kein CPU-Wechsel, dann eben ein Multiprozessorsystem. Auch hier fehlte eigentlich "nur" die Software, aber wenn man sieht, was Simtec mit der Hydra-Karte nebst ein wenig Software auf die Beine gestellt hat - mit einem minimalen Aufwand - dann fragt man sich schon, warum Acorn diesen Weg nicht konsequent verfolgt hat.

Aber letztlich war es ja nicht mal das OS oder die Hardware allein, die die User zum Systemwechsel trieb - auch die Softwareseite wurde ja sehr halblebig betrieben. Man denke an Browse (oder vorher noch die Intertalk-Suite) oder Java - beide von jeweils einem lächerlichen Entwickler gestützt, obwohl man bei Acorn selbst der Meinung war, dass beide Dinge für die Zukunft der Plattform wichtig wären. Nach einem sehr guten Java 1.0.2 hat man aufgrund fehlender Manpower die 1.1-Stufe schlicht ausgelassen und wollte bei 1.2 wieder einsteigen - ein grober Schnitzer.

Bezeichnend war auch die Software für die PC-Karte - ich meine wenn man schon die hardwaremäßigen Voraussetzungen dafür schafft, warum torpediert man das durch absichtlich schlechte Software, deren Entwicklung man einem Teilzeitprogrammierer überlässt?

Acorn wäre sicher niemals Martkführer geworden - aber für weltweit 1 Million User, also ein Marktvolumen, das auch größeren Softwareschmieden das Überleben ermöglicht hätte, wären sie schon gut genug gewesen, wenn sie auf die richtigen Pferde gesetzt hätten.

Steffen
BglBttr
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Beitrag von BglBttr »

[quote="hubersn"]/snip/Der Apple-Weg hat ja gezeigt, dass das möglich ist - und in Anbetracht der Tatsache, dass noch 1997 bei Acorn 200 Softwareentwickler im Bereich Online Media und ART mit allem möglichen Unsinn beschäftigt waren, wäre das auch zu stemmen gewesen.
/snip/[/quote]
Gibt es für die Zahl eine Quelle? '97 jonglierten ART/Bondar mit Temp-Jobbern und Volontären (Galileo - die Webseite etc.). Ich hatte nie Verbindungen zum OM department, aber 200 klingt ehr für die Tage der Marmeladenfrabrik plausibel.

Have fun...
All those who believe in telekinesis, raise my hand.
- /.
hubersn
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Beitrag von hubersn »

[quote="BglBttr"][quote="hubersn"]/snip/Der Apple-Weg hat ja gezeigt, dass das möglich ist - und in Anbetracht der Tatsache, dass noch 1997 bei Acorn 200 Softwareentwickler im Bereich Online Media und ART mit allem möglichen Unsinn beschäftigt waren, wäre das auch zu stemmen gewesen.
/snip/[/quote]
Gibt es für die Zahl eine Quelle? '97 jonglierten ART/Bondar mit Temp-Jobbern und Volontären (Galileo - die Webseite etc.). Ich hatte nie Verbindungen zum OM department, aber 200 klingt ehr für die Tage der Marmeladenfrabrik plausibel.
[/quote]

Die 200 waren nicht allein In-House-Entwickler, Acorn-seitig Vollzeit angestellt im STB- und NC-Bereich waren damals knapp 100. Viele der externen kann man auch schon fast zur In-House-Kapazität zählen - ANT/Aleph1, WSS, Gnome, Cumana

Quelle ist ein Gespräch mit einem Acorn-Mitarbeiter auf der Acorn World 1997, wenn ich mich recht entsinne war es Julian Smith.

Kurz danach ging es aber auch schon abwärts, nach dem Oracle-Desaster.

Steffen
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